Viele Tennisspieler sehnen sich im Turniermatch nach dem locker-flockigen Feeling, das sie aus dem Training kennen. Sie trauern ihren Top-Schlägen hinterher, die im Match einfach nicht klappen wollen. Wenn du auch zu dieser Art von Spielern gehörst, dann ist es Zeit, einen Perspektivwechsel vorzunehmen.
Deine Trainingsform ist eine idealisierte Vorstellung
Erinnerst du dich noch an deine krachenden Aufschläge, die dir letzte Woche im Training gelungen sind? Oder schwärmen deine Teamkollegen auch nach Wochen noch von deinem Lob, den du erlaufen und durch die Beine zurückgespielt hast? Davon kannst du dir im nächsten Match nichts mehr kaufen, wenn es 0:0 steht und die Nervosität dich gepackt hat.
Dein theoretisch abrufbares Spielniveau ist eine Art Hitparade aus den besten Schlägen, die dir in einer Trainingseinheit gelingen. Es ist aber sehr unwahrscheinlich, dass in der Drucksituation alles wie am Schnürchen läuft. Manche Spieler drehen aber total durch, wenn sie spüren, dass ihr Arm zu Beginn des Matches fest ist und sich deine Bewegungen viel pomadiger anfühlen als du es aus dem Training von dir kennst.
Selbst der mental stärkste Tennisspieler wird dir versichern, dass das ganz normal ist. Mental schwache Spieler überfokussieren sich jedoch auf die Diskrepanz zwischen Training und Match, was dazu führen kann, dass sie sich selbst in einen Abwärtsstrudel ziehen. Wenn du die negative Gedankenspirale erstmal in Gang gesetzt hast, hast du keine Lust mehr darauf, das Match zu gewinnen, sondern entwickelst eine regelrechte Angst vor Fehlern.
Weil dir die Unbeschwertheit aus dem Training fehlt, fühlst du dich extrem verunsichert? Dann bist du der klassische Trainingsweltmeister! Aber das musst du nicht bleiben…
Anzeige
Bestleistungen im Match bringen: Welche Maßnahmen helfen Trainingsweltmeistern?
Es kann absolut ätzend sein, wenn man gestern im Training noch ein Rohr nach dem nächsten verlegt hat und heute im Match steht es 0:3 und du hast dein Potential noch nicht ansatzweise ausgeschöpft, sondern stattdessen Fehler produziert, dir dir sonst nie unterlaufen.
Hier geht der Selbstbetrug los. Natürlich unterlaufen dir diese Fehler immer wieder, aber eben meistens im Match und nicht im Training. Du darfst deine Trainingsleistung aber nicht als Baseline für dein Spiel ansehen. Sie ist eher die Obergrenze dessen, was möglich wäre, wenn du einen richtig guten Tag erwischt.
Deine Leistung im Turnier ist der Gradmesser, um deine Entwicklung zu beurteilen. Du hast gerade gegen diesen Bringer verloren, der nur Mondbälle spielt? Dann hast du im Turnier wohl noch nicht das Level erreicht, das du selbst in dir siehst.
Hier kommen meine Tipps für alle Trainingsweltmeister, die im Training gut und im Match plötzlich schlecht spielen:
- Mehr Matches spielen: Es klingt simpel, aber ist so wichtig. Du musst richtig viele Matches spielen, um möglichst häufig die kniffligen Situationen zu erleben, in denen die Nerven auch mal blank liegen können. Je mehr Routine du aufbaust, desto leichter wird es dir fallen, die Situationen souveräner zu lösen. Bei LK-Turnieren hast du mindestens zwei Matches und bei K.O.-Turnieren wird oft eine Nebenrunde angeboten. Nutze das aus, um Matchpraxis zu bekommen.
- Im Training weniger rumalbern: Das Training ist natürlich dafür da, um Dinge auszuprobieren. Aber du solltest jede Trainingseinheit so ernst wie möglich nehmen, um daraus etwas für dein Match mitnehmen zu können. Wenn du im Training nur draufballerst, wirst du vermutlich keine Lösung im Spiel haben, wenn es 30:30 im wichtigsten Spiel des Satzes steht und du dir vornimmst, keinen Unforced Error zu machen.
- Sich selbst reflektieren: Frage dich nach jedem Match, was gut war und was nicht so gut geklappt hat. Erfahrene Spieler schaffen es, im laufenden Spiel einen Hebel umzulegen. Aber zumindest solltest du nach dem Match dazu in der Lage sein, die Gründe für deine Niederlage oder deinen Sieg einzusortieren. Gib dir gerne auch eine Schulnote in verschiedenen Bereichen und vergleiche deine Entwicklung über Matches hinweg.
- Big Picture vs. Small Picture: Wenn du gerade eine Veränderung vorgenommen hast, z.B. die Umstellung deines Aufschlaggriffs von Bratpfanne auf Hammergriff, kannst du nicht erwarten, dass es schon im Match klappt. Schraube daher deine Erwartungshaltung herunter und freue dich, wenn kleine Dinge funktionieren. Versteife dich nicht auf einen drohenden Doppelfehler, sondern glaube an den Prozess.
Genieße dein nächstes Match
Das nächste Match steht bevor? Dann freue dich auf die Challenge statt daran zu denken, dass deine Nervosität wieder deinen Matchplan zerstören könnte. Natürlich möchtest du irgendwann bessere Gegner schlagen, aber bis du dir höhere Ziele setzen kannst, musst du erstmal mit der Drucksituation im Turnier zurechtkommen und deine Matchreife langsam aufbauen.
Also: Gehe auf den Court und genieße dein Match und freue dich über kleine Fortschritte als immer nur an den Spielstand zu denken und dich von kleinen Dingen, die du langfristig besser machen wirst, aus dem Konzept zu bringen.
Über den Autor
Ich spiele Tennis seit ich 6 Jahre alt bin, habe über 12 Jahre Erfahrung als Tennistrainer und stehe aktuell auf Platz 288 der DTB-Rangliste der Herren.
Das könnte dich auch interessieren…
Visualisierung im Tennis: Mehr Erfolg im Match dank deiner Vorstellungskraft?
Stoppball lernen: Bringe deinen Gegner mit einem kurzen Stopp zur Verzweiflung!
Als einer der technisch anspruchsvollsten Schläge gehört der sogenannte Stoppball in der Regel ausschließlich zum Repertoire fortgeschrittener Tennisspieler. Beim Stopp wird mit großem Risiko und…