- Die Gründe, warum sich im Tennis fast immer der bessere Spieler durchsetzt
- Realismus vs. Optimismus: Wie stehen meine Chancen?
- Gedankenexperiment: Welche LK kann ich schlagen?
- Taktik gegen bessere Gegner: Vollgas oder lieber nicht?
- Mein letztes Match gegen einen besseren Gegner — wie konnte ich gewinnen?
- Fazit zur Taktik gegen stärkere Gegner
Wenn der Underdog den Champion ins Wanken bringt, ist das einer der Momente, für den der Sport gemacht wurde. Auch im Tennis kann es passieren, dass sich auf dem Papier schwächere Spieler ins Match hineinkämpfen und vermeintlich stärkere Gegner schlagen. Doch welche Taktik sollte man gegen stärkere Gegner wählen, um seine Chancen auf einen überraschenden Triumph zu verbessern?
Die Gründe, warum sich im Tennis fast immer der bessere Spieler durchsetzt
Tennis ist keine Low-Scoring-Sportart, wie z.B. Fußball. Ein einzelner Punkt entscheidet im Tennis sehr wenig sodass beispielsweise ein Netzroller zwar immer noch sehr unglücklich sein kann, letztlich aber nicht so einen Stellenwert hat, wie ein unachtsames Handspiel im Strafraum oder ein dämliches Eigentor. Der Impact eines verlorenen Punktes ist einfach deutlich geringer.
Daher setzt sich im Tennis normalerweise der Spieler durch, der an dem Tag besser spielt. Je nach Tagesform kann bei Spielern, die etwa auf dem gleichen Niveau spielen, mal der eine oder der andere Spieler die Nase vor haben. Doch ein deutlich favorisierter Spieler kann sich über die gesamte Länge des Matches am Ende in den allermeisten Fällen durchsetzen.
Erschwerend kommt noch hinzu, dass sich manch einer gar keinen Sieg gegen Spieler einer bestimmten Kategorie zutraut. Das Match wird dann schon gewissermaßen als verloren abgehakt, sodass der Gegner ein leichtes Spiel hat.
Realismus vs. Optimismus: Wie stehen meine Chancen?
Vielleicht hast du mal den Satz gehört: „Du kannst jeden Spieler schlagen, wenn du nur an dich glaubst“. Natürlich ist das eher unrealistisch, denn wenn Rafa oder Roger auf der anderen Seite steht, kann ich so viel an mich glauben, wie ich will — ich werde trotzdem untergehen.
Ein zu optimistisches Mindset kann auch für manche Spieler schädlich sein, wenn sie sich zu hohe Chancen ausrechnen und dann immer wieder enttäuscht sind, wenn ihnen der Überraschungssieg nicht gelingt. Um bessere Spieler schlagen zu können, ist also eine gute Mischung aus gesundem Realismus mit leichtem Optimismus vermutlich am besten.
Fakt ist: Es gibt eine gewisse Bandbreite an Spielern unterschiedlicher Niveaus, die du je nach deiner und deren Tagesform besiegen kannst. Die Leistungsklassen im Tennis sind zwar kein perfekter Indikator für die Spielstärke, aber im Groben kann man sie schon ganz gut heranziehen, um die Siegchancen zu ermitteln.
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Gedankenexperiment: Welche LK kann ich schlagen?
In der folgenden Tabelle habe ich einfach mal exemplarisch die Siegchance aufgelistet, die sich beim Aufeinandertreffen von Gegnern mit der jeweiligen LK ergeben würde. Die Zahlen sind natürlich beispielhaft und beruhen auf meinen Beobachtungen.
Ich habe z.B. die Erfahrung gemacht, dass die Aussagekraft der LK besser wird, je besser die Spieler platziert sind. Ein Spieler mit der LK 5 ist nur 2 LKs von der LK 3 entfernt, doch seine Siegchancen sind geringer als bei einer LK 10, die nur 2 LKs von der LK 8 entfernt ist.
Deine LK | LK deines Gegners | Siegchance |
---|---|---|
5 | 3 | 35 % |
5 | 5 | 50 % |
5 | 12 | 80 % |
10 | 3 | 5 % |
10 | 5 | 10 % |
10 | 8 | 40% |
Die LK ist aber natürlich, ähnlich wie das Handicap im Golf, keine Momentaufnahme, sondern eine Art Durchschnittswert. Zudem kann man seine LK kaum verschlechtern, wenn man aktiv spielt, sodass man hier bei der Vergleichbarkeit seine Probleme hat.
Aber wir blenden das jetzt alles mal aus und tun so als wäre die LK eine Art perfekter Wert, um das Leistungsniveau eines Spielers zu erfassen. Dann muss man immer noch einen Faktor mit einbeziehen: Die Tagesform.
Es gibt viele Gründe, warum man an einem bestimmten Tag nicht sein Top-Level abrufen kann. Einige davon haben mit dem Matchplan des Gegners zu tun, andere aber nur mit dir selbst. Darum soll es erstmal gehen.
Wenn du gerade 3 Wochen nicht spielen konntest, eine leichte Schulterverletzung dir noch zu schaffen macht und du den Kopf darüber hinaus noch mit ein paar anderen Dingen voll hast, spielst du trotz deiner LK 5 vielleicht an diesem einen Tag eher wie eine LK 10.
Triffst du dann auf einen Gegner, der eigentlich eine LK 12 ist, aber gerade jeden Ball trifft, spielt der vielleicht auch auf LK-10-Niveau. Schon haben wir eine enge und umkämpfte Partie zwischen einer LK 5 und einer LK 12. Sofern sich der LK 12er nicht schon vor dem Match von der guten LK seines Gegners beeindrucken lässt, könnte daraus ein echter Fight werden.
Taktik gegen bessere Gegner: Vollgas oder lieber nicht?
Ich ertappe mich manchmal selbst dabei, dass ich gegen bessere Spieler immer meine schönsten Schläge auspacken möchte und beeindruckendes Tennis spielen will. Der Aufschlag wird nochmal härter und die Vorhand mit mehr Spin gezogen. Oft steigt meine Fehlerquote aber dadurch so an, dass ich mich auf dem Court selbst zerfleische und mein Gegner Punkt um Punkt nur noch einsammeln kann.
Manchmal mache ich es aber schlauer und weiche nicht von meinem Matchplan ab, sondern bleibe meiner Linie treu. Ich experimentiere nicht mit Wunderschlägen, sondern erledige meine Aufgaben gewissenhaft und nutze die gleichen Spielzüge, wie gegen Spieler auf meinem Level. Dann kann es passieren, dass ich mit 3:6, 3:6 vom Platz gehe und mir am Ende denke: Da wäre doch eigentlich mehr drin gewesen!
Die Wahrheit liegt sicher irgendwo in der Mitte. Es bringt nichts darauf zu hoffen, dass heute ein Winner nach dem nächsten ins Feld fliegt, die mir sonst nicht gelingen. Stattdessen muss ich versuchen, eine Taktik zu finden, die nicht vom Glück abhängig ist. Denn sonst ereilt mich vielleicht in den kritischen Momenten die Angst vor dem Gewinnen und dann setzt sich am Ende doch noch der Favorit knapp durch.
Mein letztes Match gegen einen besseren Gegner — wie konnte ich gewinnen?
Ich würde sagen, dass ich von meiner etwas defensiveren Spielanlage her nicht unbedingt das Rüstzeug mitbringe, um Gegner im Ranglistenbereich der Top 100 des DTB zu schlagen. Mein Aufschlag und meine Vorhand sind okay, aber es fehlt mir meist dann doch an Konstanz, um den Top-Spielern richtig gefährlich zu werden.
Im Bereich zwischen Position 100 und 250 kann ich aber durchaus mal zuschlagen, weil ich einerseits mit einer defensiven Spielweise nicht sofort abgeschossen werde und anderseits meine Schläge dann wieder aggressiv genug sind, um auch dann Gefahr zu verbreiten, wenn ich selbst die Initiative zu ergreifen.
Als ich neulich gegen einen Spieler ein Match im Turnier bestreiten musste, der an 1 gesetzt war und auf Platz 200 der DTB-Rangliste stand, fühlte ich mich eigentlich gut. Ich nahm mir vor, solides Tennis zu spielen. Nach einem Satz stand jedoch ein 1:6 auf der Anzeigetafel.
Schon beim Stand von 1:4 lag ich 2 Breaks hinten und rechnete mir keine Chancen mehr für den Satz aus. Das nächste Spiel habe ich ehrlicherweise einfach weggeworfen und auch bei 1:5 meinen eigenen Aufschlag mehr oder weniger durchlaufen lassen.
Ich habe mir aber ein Ziel gesetzt: Bei seinem ersten Aufschlagspiel im zweiten Satz schlage ich zu. Und genauso geschah es. Er machte ein paar einfache Fehler und ich war zurück im Game. Dann passierten noch ein paar glückliche Dinge, wie z.B. ein Netzroller zum 3:0 für mich. Aber letztlich habe ich den Satz verdient mit 6:0 gewonnen, weil mein Gegner völlig aus dem Konzept gebracht war.
Den darauffolgenden Match-Tiebreak konnte ich ganz knapp mit 11:9 für mich entscheiden und habe wieder meine Prinzipien für den Match-Tiebreak durchgezogen. Am Ende war es natürlich eine ganz knappe Sache, aber mir war klar, dass ich Spieler auf diesem Niveau schlagen kann. Das wäre auch die Erkenntnis gewesen, wenn ich den Showdown knapp verloren hätte.
Fazit zur Taktik gegen stärkere Gegner
Wenn ein besserer Gegner sich keine Blöße gibt, kannst du ihn fast nicht schlagen, wenn wir mal von unfairen Psycho-Spielchen oder Schummeleien absehen. Du kannst nicht erzwingen, besseres Tennis zu spielen. Dann kannst du auch gleich einen Lottoschein abgeben, wenn du auf alles drauf hackst.
Doch du kannst dein Ding durchziehen und genau dann zuschlagen, sobald dein Gegner eine kleine Schwäche zeigt. Vergiss nicht, dass nicht jeder gut mit der Favoritenrolle umgehen kann. Wenn ein Match zu kippen droht, bleibt kaum jemand zu 100 % souverän.
Nichtsdestotrotz kannst du nicht „jeden Gegner schlagen“, auch wenn das eine alte Tennisweisheit ist. Es befinden sich aber sicher mehr Spieler in deiner Reichweite als du denkst. Also geh auf den Platz, halte an deinem Matchplan fest und warte auf deine Chance.
Über den Autor
Ich spiele Tennis seit ich 6 Jahre alt bin, habe über 12 Jahre Erfahrung als Tennistrainer und stehe aktuell auf Platz 288 der DTB-Rangliste der Herren.